Zurück zum Mietenstopp!

Mit dem Volksbegehren Mietenstopp hat ein Bündnis aus Parteien und Gewerkschaften, aber auch anderen Institutionen gefordert, dass die Mieten in Bayern in den nächsten sechs Jahren nicht mehr erhöht werden dürfen. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat am 16.7.2020 das Volksbegehren jedoch abgelehnt, da für das Thema Mieten der Bund und nicht die Länder zuständig seien. Ähnlich ist die Lage in Berlin, wo es seit Anfang des Jahres bereits einen Mietendeckel gibt, der ebenfalls mit dem Argument, ein Mietenstopp sei Bundesrecht, gerichtlich überprüft wird.

Nun gilt es, eine entsprechende Gesetzesänderung auf Bundesebene zu erreichen!

Die Regelungen zum Mietverhältnis finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das seit dem 1.1.1900 gilt. Blickt man zurück, so ist überraschenderweise festzustellen, dass es bereits von 1914 – 1955 in Deutschland einen Mietenstopp gab. Erst die Regierung Adenauer hat die Mieten zur Förderung von Investitionen in den Wohnungsbau freigegeben.

 

(Kalt-)Mietenstopp 1919-1946

Bereits im Jahr 1919 gab es eine Regelung, die für alle vor dem 1.1.1917 fertiggestellten Wohnungen die Mieten begrenzte und gleichzeitig die Herabsetzung von Mieten, sowohl bei Neuvermietung als auch im Bestand, erlaubte. Die Herabsetzung geschah dabei von Gesetzes wegen, das heißt sie musste nicht beantragt oder vereinbart werden. Auf Antrag der Vermieter*innen konnte in Ausnahmefällen eine höhere Miete zugelassen werden, wenn dies beispielsweise zur Finanzierung von erforderlichen Reparaturen notwendig war.

Im Jahr 1922 wurde schließlich eine sogenannte Vergleichsmiete eingeführt, die in einen auf dem Stand des Jahres 1914 eingefrorenen Kapitalzins und anpassbaren Betriebskosten und Unterhaltungskosten gespalten war. Die besondere Bedeutung der Wohnung und die Abhängigkeit des überwiegenden Teils der Bevölkerung von Mietverträgen zur Deckung des Wohnbedarfs wurden damit hervorgehoben. Vermietete Wohnungen blieben damit zwar eine Wertanlage, es gab aber keine Möglichkeit mehr die Wohnungsknappheit für Gewinne auszunutzen.

 

Vollständiger Mietenstopp 1946-1955

Um der Wohnungsnot durch die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zu begegnen, folgte durch die Alliierten im Jahr 1946 schließlich sogar ein vollständiger Mietpreisstopp.

 

Freigabe zur Förderung von Investment in den Wohnungsbau 1955

Mit dem Argument, durch Aufhebung der als Zwangsmaßnahmen bezeichneten Regelungen könne das Investment von Kapital in den Wohnungsbau und damit Sanierung und Neubau gefördert werden, wurde auf Bestreben der Regierung Adenauer im Juli 1955 der Mietenstopp größtenteils wieder aufgehoben.

Das Gesetz ließ bei Neubauten eine völlig freie Mietvereinbarung zu und erlaubte im Bestand Mieterhöhungen wieder bis zu 20%. Damit sollte eine Regelung geschaffen werden, nach der das Mietrecht dem Gedanken der sozialen Marktwirtschaft angepasst und demnach sowohl dem Nutzen für die Allgemeinheit wie auch der Ermöglichung von Gewinnen für die vermietenden Eigentümer*innen entsprach.

Schließlich wurden die Mietpreise zum Ende der 1960er Jahre vollständig freigegeben.

 

Soziales Mietrecht im BGB

Die sozialdemokratische Regierung Brandt begann in den 1970er Jahren wieder für mehr Mieter*innenschutz zu kämpfen. Seitdem wird durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen versucht, die mit der Freigabe der Mieten einhergehende Spekulation wieder einzugrenzen.

Im Fall von Bestandsmieten in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt gibt es heute eine Kappungsgrenze, die Mieterhöhungen reduziert indem die Miete innerhalb von 3 Jahren nicht mehr als 20% erhöht werden darf. Die sich am Mietspiegel orientierende Mietpreisbremse soll daneben bei Neuvermietungen das Ansteigen der Mieten auf eine Erhöhung von maximal 10% zusätzlich zur ortsüblichen Vergleichsmiete bremsen.

Die Auswirkungen dieser Instrumente sind jedoch relativ gering, die Mieten steigen weiter. Insbesondere die Berechnung der sogenannten ortsüblichen Vergleichsmiete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt, also der sogenannte Mietspiegel, hinkt.

In die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete werden nur Bestandsmieten der letzten 6 Jahre einbezogen, preiswerter sozialer Wohnungsbau wird bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Im Übrigen ist sie auf möblierte oder befristet vermietete Wohnungen sowie auf Neubauten nicht anwendbar, die vor dem Jahr 2014 errichtet wurden. Eine Ironie wenn man bedenkt, dass die Mieten im letzten Jahrhundert etwa 40 Jahre lang auf dem Wert von 1914 eingefroren waren.

 

Mieten und Corona

Bereits vor der Coronapandemie waren die Mieten für viele Menschen nicht mehr bezahlbar, sie betrugen teilweise bis zu 40% des Haushaltseinkommens. Nun kommt für viele Menschen auch noch Kurzarbeit oder ein möglicher Jobverlust hinzu.

Kündigungen von Mietverhältnissen durch Vermieter*innen sind in der Regel bereits möglich, wenn die Miete zweimal in Folge nicht vollständig gezahlt wird. Richtig und Wichtig war daher der Ansatz, die Stundung von Mieten unter Ausschluss der Kündigung zu ermöglichen, wenn diese unverschuldet aufgrund der Pandemie nicht mehr gezahlt werden konnten. Dies galt bis zum 30.6.2020, wurde wurde jedoch nicht verlängert. Dies ist für viele Menschen existenzbedrohend, da nun erst der Zeitraum beginnt, in dem die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise mehr und mehr zu spüren sein werden.

Für die Rückzahlung der coronabedingt ausgebliebenen Miete bleibt den Betroffenen einige Jahre Zeit. Brisant ist jedoch, dass auf die ausgefallene Miete Stundungszinsen in Höhe von 7% des Betrages anfallen. Angesichts der aktuellen Niedrig- und teilweise Negativzinsen ein horrender und absolut unverhältnismäßiger Zinssatz.

 

Folgendes sollte daher geschehen:

  1. Wohnraum ist kein Spekulationsobjekt

Die Folgen der Krise sollen möglichst breit verteilt werden. Die Immobilienbranche ist derzeit trotz des Einbruchs der Wirtschaft im Zusammenhang mit der Coronapandemie eine der weiterhin intensiv boomenden Branchen, Kaufpreise für Häuser und Grundstücke sowie Mieten steigen noch immer. Dabei gehen die Gewinne zumeist auf Kapitalinvestitionen in Wohnraum zurück, der für die meisten Menschen als existenzielles Grundbedürfnis dadurch immer weniger bezahlbar wird.

  1. Kündigungsschutz

Der coronabedingte kurzzeitige Kündigungsschutz muss wieder in Kraft gesetzt werden. Entsprechend der wirtschaftlichen Gesamtsituation ist eine Verlängerung zu prüfen, es kann nicht sein dass Menschen, die bereits ihren Job in der Krise verloren haben nun auch um ihre Wohnung fürchten müssen. 

  1. Herabsetzung des Stundungszinses

Der Stundungszins für die Rückzahlung von gestundeten Mieten in Höhe von grundsätzlich 7% ist auf einen der aktuellen Niedrigzinslage angemessenen Betrag herabzusetzen.

  1. Wiedereinfrieren der Kaltmieten auf die ortsübliche Vergleichsmiete

In Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt darf die zu zahlende Nettomiete den Wert der ortsüblichen Vergleichsmiete 2020 künftig nicht übersteigen. Dies gilt sowohl bei Neuvermietungen als auch bei laufenden Mietverhältnissen. Betriebs- und Nebenkosten bleiben frei.

Autor*in
Julia Worch
ehemalige stellv. Bezirksvorsitzende der Jusos Oberbayern
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