Das, was die CSU plant, ist schon lange nicht mehr mit einer diffusen Angst zu erklären, mit der man in den letzten Jahren viele politische Projekte und Äußerungen erklärt und legitimiert hat. Das, was die CSU hier in Bayern vorantreibt, ist von langer Hand geplant und schränkt unsere Freiheits – und Bürger*innenrechte so ein, dass man eigentlich gar nicht mehr weiß, wo sie abgeblieben sind.

Ganz konkret geht es hier um die Änderungen, die die CSU im Polizeiaufgabengesetz vorgenommen hat und vornehmen wird.

Um die Hintergründe zu verstehen, muss man zwei wichtige Dinge wissen:

  • Es gibt das sogenannte Trennungsgebot in Deutschland, das vom Bundesverfassungsgericht aufgestellt wurde. Dies besagt, dass die Polizei und die Geheimdienste streng voneinander zu trennen sind.

  • Die Polizei ist in verschiedenen Bereichen tätig: im präventiven und im repressiven Bereich. Repressiv bedeutet dabei, dass die Polizei Straftäter*innen überführt, festnimmt und sie verhört. Im präventiven Bereich soll die Polizei verhindern, dass es überhaupt zu Straftaten kommt. Deswegen fährt die Polizei zum Beispiel Streife.

Das Polizeiaufgabengesetz beschäftigt sich ausschließlich mit den Befugnissen, die die Polizei hat, wenn sie im präventiven Bereich tätig ist. Dies ist zum Beispiel ein Platzverweis, die Ausweiskontrolle, Durchsuchungen oder der Unterbindungsgewahrsam. Dabei handelt es sich um Befugnisse, die gegenüber allen Bürger*innen gelten. Die Polizei kann immer dann handeln, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt – zumindest bis letztes Jahr.


Im August 2017 beschloss die CSU das sog
enannte Gefährdergesetz, das der Polizei ermöglicht, allein bei einer „drohenden Gefahr“ von den meisten ihrer Befugnisse Gebrauch zu machen. Damit wurde die Schwelle für ein Eingreifen der Polizei erheblich gesenkt, denn eine Gefahr droht eigentlich immer, oder?

Doch nicht nur das, neben einer neuen Eingriffsschwelle hat die CSU auch neue Befugnisse eingeführt und alte Befugnisse ausgeweitet:

  • Die elektronische Fußfessel. Bei Weigerung diese zu tragen, kommt man in Präventivgewahrsam.

  • Die Polizei darf Personen in eine präventive „Unendlichkeitshaft“ nehmen – da diese Ingewahrsamnahme in Dreimonatszyklen immer wieder durch zuständige Richter*innen, verlängert werden kann.

  • Die Polizei kann Kontaktverbote, Aufenthaltsgebote und Aufenthaltsverbote aussprechen.

Schon damals verstießen diese neuen Regelungen gegen unser Gerechtigkeitsempfinden und wir als Jusos haben geklagt. Damals schien das aber außer uns niemanden groß zu interessieren. Zu sehr war die Sicherheitsdebatte aufgeheizt, es war kurz vor der Bundestagswahl und niemand hat sich an das Thema herangetraut.

Heute ist die Situation anders. Heute hat sich ein breites Bündnis gegen die Neuordnungen im Polizeiaufgabengesetz zusammengefügt. Von FDP bis DKP, von Mehr Demokratie e.V. bis zum Hanfverband – alle sind dabei. Das liegt daran, dass es die CSU jetzt endgültig übertrieben hat. Das Gefährdergesetz war nur der erste Schritt hin zu einem Staat in dem eine fast lückenlose Überwachung möglich ist.

Gerade jetzt, wenn ich „lückenlose Überwachung“ schreibe, frage ich mich, ob meine Leserinnen und Leser hier nicht zusammenzucken und sich denken werden „Jetzt übertreibt sie aber ein bisschen!“. Ich wünschte das wäre so. Ist es aber nicht. Der Name Goerge Orwell muss in diesem Artikel auftauchen (was er hiermit getan hat), einfach, weil er hierhin gehört.

Die CSU wird Mitte Mai eine Neuordnung des Polizeiaufgabengesetzes beschließen und diese Befugnisse sollen jetzt eingeführt werden – selbstverständlich immer schon durchführbar bei einer drohenden Gefahr:

  • Abhören von Telefonen und Öffnen von Post auch ohne Anzeichen einer Straftat

  • Einsatz von V-Leuten – Freunde und Nachbarn können als Polizeispitzel für verdeckte Ermittlungen eingesetzt werden.

  • Verschlechterung des Schutzes von Berufsgeheimnisträger*innen wie Journalist*innen oder Jurist*innen – Quellen und Mandant*innen sind nicht mehr umfassend geschützt

  • Durchsuchen sogenannter Cloud-Speicher und Mitwirkungspflicht von Dritten beim Entschlüsseln von Daten (z.B. durch Herausgabe von Schlüsseln und Codes)

  • Einsatz von Drohnen und Bodycams

  • Automatisierte Videoüberwachung, etwa mit intelligenter Mustererkennung

  • Online-Durchsuchung mit einem direkten Zugriff der Polizei auf private Computer

  • Einsatz von Staatstrojanern (Spionagesoftware, die Informations- und Kommunikationsdaten abgreifen und verändern kann)

  • DNA-Analyse als erkennungsdienstliche Maßnahme und die Möglichkeit der Analyse von DNA-Spuren an Tatorten, um Rückschlüsse auf Augen-, Haar- und Hautfarbe sowie andere biogeographische Daten zu ziehen. Damit werden Zufallsfunde von Genmaterial zur Grundlage der Suche nach Verdächtigen.

Dabei ist diese Aufzählung nicht abschließend.

Die CSU stattet die Polizei also mit Befugnissen aus, die nur den Geheimdiensten vorbehalten sein sollen. Gerechtfertigt wird dies mit einer angeblichen Terrorgefahr.

Dazu lässt sich auch hier sagen, dass es Aufgabe der Geheimdienste und nicht der Polizei ist, solche Terrorgefahren zu erkennen und zu unterbinden. In einem Bundesland, das das sicherste in Deutschland ist, in dem die Kriminalitätsstatistik seit Jahren rückläufig ist, in einem Land, das 2016 10 % weniger Straftaten verzeichnet hat als im Jahr zuvor, klingt dieses Schreckensszenario, das die CSU zeichnet, alles andere als glaubwürdig und hinnehmbar. Trotzdem will die CSU keinen Diskurs.

Die CSU versucht momentan eine öffentliche Debatte zu verhindern, in dem sie sagt, dass viele Falschmeldungen im Umlauf wären, „das „dumme Volk“ checkt nicht, dass wir nur ihr bestes wollen“.

Leider sind wirklich viele Falschmeldungen im Umlauf. Dabei handelt es sich aber vor allem um die Annahme, man könne die drohende Gefahr oder die „Unendlichkeitshaft“ noch verhindern, wenn man jetzt auf die Straße geht. Die Menschen sind also nicht „dumm“ oder haben generell etwas falsch verstanden – sie sind einfach nur ein bisschen spät dran.

Dass die CSU diese Tatsache, die darauf zurück zu führen ist, dass sie ihren Bürger*innen lieber mal nicht mitgeteilt hat, was sie da im August 2017 beschlossen haben, nun anführt um sich einem differenzierten Diskurs zu entziehen, ist armselig. Wenn es so gute Argumente gibt, die Macht der Polizei derart auszuweiten, dann müssten sie auch keine Angst vor der Debatte haben.

In solchen Momenten spürt man gerade deutlich, dass wir uns an einem Scheideweg befinden – gerade mit Horst Seehofer im Innenministerium. Sind wir bereit unsere Rechte abzugeben für denn Schein einer niemals zu erreichenden 100% Sicherheit? Oder müssen wir nicht gerade in solchen Situationen diese Rechte hochhalten und verteidigen?

Wir Jusos haben uns für eine Richtung entschieden. Sollte uns der bayerische Verfassungsgerichtshof nicht zustimmen, dann fragen wir das Bundesverfassungsgericht. Und dann gibt es ja auch immer noch so was wie den Volksentscheid.

Gerade jetzt muss es unsere Devise sein: Immer vorwärts, niemals zurück!

                                                                                                                                                                                      Carmen Wegge

Diesen Beitrag teilen