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EU-RATSPRÄSIDENTSCHAFT

Ab dem 1.7.2020 übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr. Infolge des Coronavirus nun noch mehr ein entscheidender Zeitraum, in dem die Weichen für die künftige Entwicklung Europas gestellt werden. Wir Jusos setzen uns ein für ein soziales und demokratisches Europa für die Menschen und nicht nur für Unternehmen.

 

Wir brauchen endlich eine Europäische Verfassung! 

Die Europäische Union ist ein Staatenverbund, der auf gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Mitgliedstaaten aufgebaut ist. Das reicht uns jedoch schon lange nicht mehr, alleine der Glaube an Wachstum und wirtschaftliche Zusammenarbeit ermöglicht kein solidarisches Zusammenleben in Europa. Die Coronakrise zeigt hier ein weiteres Mal, dass der Wohlstand einzelner Länder nicht auf Kosten der anderen entstehen darf. Es ist nicht fair, wenn Deutsche ihr billiges Fleisch durch die Ausbeutung von Rumänen, Bulgaren und Polen erhalten, es ist nicht gerecht, wenn das italienische Gesundheitssystem infolge der durch die EU verordneten Sparmaßnahmen kaputtgespart wurde und dies unzählige Todesopfer zur Folge hat. Jede*r einzelne Bürger*in Europas kann nichts für die Verfehlungen der Regierungen der Länder, aber wir leben alle zusammen in einem Europa. Wir fordern daher eine solidarische Europäische Verfassung als Grundstein für ein gerechtes und demokratisches Miteinander. Diese Europäische Verfassung soll in einem fairen und transparenten Verfahren erarbeitet werden und der EU eine einheitliche demokratische Rechtsstruktur geben, die für alle Menschen einheitliche Sozialstandards festsetzt.

 

Mehr europäische Demokratie wagen!

Nach wie vor ist das Demokratieverständnis innerhalb der EU weiter ausbaufähig. Gerade infolge der Finanzkrise 2008/2009 haben sich beispielsweise mit der Troika und Frontex mehr und mehr europäische Strukturen gebildet, die keinerlei demokratischer Kontrolle unterliegen. In der aktuellen Situation muss das Gegenteil geschehen: Insbesondere die Rechtsstellung des Europäischen Parlaments muss gestärkt werden, zum Beispiel durch das Recht, Gesetzesvorschläge einzubringen und über den Haushalt der EU zu entscheiden. Außerdem sollen der Minister*innenrat und der Rat der EU durch eine Zweite Kammer des Parlaments ersetzt werden, die aus demokratischen Repräsentant*innen besteht. 

Auch die Zivilgesellschaft soll durch die Schaffung einer Dritten Kammer eingebunden werden.

Zudem brauchen wir eine vollwertige Exekutive, die nicht mehr nur als “verlängerter Arm” der Mitgliedstaaten dient. Die Kommission soll zu einer echten Europäischen Regierung werden, die vom Parlament gewählt und kontrolliert wird. Einer vollwertigen Legislative und Exekutive ist eine starke Judikative entgegenzustellen, deren Aufgabe insbesondere der Schutz von Demokratie, Föderalismus, Sozialstaat und Rechtsstaat ist.

 

Ein europäisches Recht auf soziale Sicherheit!

Bisher ist Europa gewachsen als Zollunion und Warengemeinschaft, die vor allem den Handel und damit die Wirtschaft vorantreiben sollten. Europa soll in erster Linie aber den Menschen dienen, die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Sozialstaats ist die notwendige Antwort auf die Europäische Krise. Neben den bestehenden Grundrechten, wie sie beispielsweise unser Grundgesetz vorsieht soll die Europäische Verfassung auch das Recht auf soziale Sicherheit hervorheben und ausbauen, das heute in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten ist. 

Dieses Recht auf soziale Sicherheit steht für die Solidarität der Menschen untereinander. Es soll das Recht auf Bildung, Arbeit, Integration, Inklusion und Gesundheit, Rente, finanzielle Grundsicherung und ein Recht auf eine angemessene Wohnung enthalten. 

Ausgestaltet werden soll es durch ein europaweit einheitliches Steuersystem, das ein einheitliches europaweites Sozialsystem ermöglicht. Um das Recht auf soziale Sicherheit zu gewährleisten müssen die wesentlichen Elemente der Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand sein.

Im Februar 2019 haben wir auf unserer Bezirkskonferenz in Neufahrn die Grundprinzipien unseres europäischen Gemeinwesens definiert. Daraus leitet sich die Auflistung der folgenden Punkte ab:

  1. Demokratisch: Alle Macht geht vom Europäischen Volke aus, das im gesamten Gebiet der EU lebt. Die Menschen Europas bestimmen in Wahlen und Abstimmungen nach dem Mehrheitsprinzip die Organe der Europäischen Union und deren Gesetzgebung. Unser Europa ist ein demokratisch organisierter Staat.
  2. Sozial: Europa steht solidarisch mit allen, die Hilfe bedürfen. Dies geht nur wenn alle Menschen Hand in Hand miteinander leben, arbeiten und füreinander einstehen. Es gilt das Prinzip, dass sich jede Person auch nach ihren*seinen materiellen Bedürfnissen entfalten kann. Unser Europa ist ein sozialer Staat.
  3. Ökologisch: In unserem Europa der Zukunft leben die Menschen nicht von, sondern mit der Umwelt. Die Lebensgrundlagen werden geschützt und die Wirtschaft nachhaltig ausgerichtet. Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels werden europaweit gemeinsam ergriffen.
  4. Antifaschistisch: Aus der Tradition des Kampfes gegen Faschismus, Nationalsozialismus und Tyrannei aus der Zwischenkriegszeit, des Zweiten Weltkriegs und seiner ideologischen Nachfolger*innen steht Europa vereint im Kampf gegen rechten Radikalismus, Menschenfeindlichkeit und Verhetzung. 
  5. Achtung der Menschenrechte: Selbstverständlich sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit einschließlich der Rechte Angehöriger von Minderheiten. Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichstellung von Frauen und Männern sind selbstverständlich
  6. Regionaler und föderaler Rechtsstaat: Jede einzelne Ebene der Demokratie und Verwaltung muss für die Aufgaben zuständig sein, die am besten zu ihr passen. Dabei muss ein gerechter Ausgleich zwischen einer zentralen Konzentration von Macht und der Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Mitgliedstaaten gefunden werden. Um diese Ziele zu erreichen brauchen wir eine Organisation in Form der einzelnen Mitgliedstaaten, weshalb die Antwort nur ein regionales und föderales Europa sein kann.  Die Union garantiert und sichert das ungehinderte Funktionieren horizontaler wie vertikaler Gewaltenteilung. Europa ist ein Rechtsstaat.

Wenn ihr unseren beschlossenen Antrag zu Europa lesen möchtet, dann klickt auf den Link: http://jusos-obb.de/wp-content/uploads/2020/06/2019_I_BeKo_Leitantrag_Europa_demokratisch_solidarisch_gerecht.pdf

Autorin
Julia Worch
ehemalige stellv. Vorsitzende
der Jusos Oberbayern
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